Neurodermitis: Ursachen und Auslöser

Das Zusammenspiel verschiedener Aspekte führt zur Entstehung von Neurodermitis. Davon zu unterscheiden sind auslösende Faktoren, die Schübe der Erkrankung auslösen oder verschlimmern können. Neurodermitis-Experte Dr. Manfred Fiebiger erklärt wie es zu den typischen Hautveränderungen kommt.

Wann bekommt man Neurodermitis?

Dr. Fiebiger: Die Ursache liegt in der genetischen Veranlagung zu einer geschädigten Hautbarriere. Zudem reagiert das Immunsystem überschießend auf äußerliche Reize. Das heißt konkret: Die Veranlagung zu Neurodermitis kann vererbt werden, was noch nicht zwangsläufig den Ausbruch der Erkrankung bedeutet. Bei einem Teil der Patienten führen veränderte Filaggrin-Gene jedoch dazu, dass die Haut trockener und empfindlicher ist. Damit bietet die Hautbarriere keinen ausreichenden Schutz gegen äußere Einflüsse. Zudem wird das Mikrobiom der Haut durch eine Vermehrung des Bakteriums  Staphylococcus weiter geschwächt.

In Folge können verschiedene Fremdstoffe wie Reizstoffe, Bakterien, Viren, Pilze, oder Allergene leichter in die Haut eindringen und eine Reaktion des Immunsystems auslösen: es bilden sich entzündete, gerötete und juckende Hautstellen. Die Entzündung wird durch die überschießende Reaktion des Immunsystems, der körpereigenen Abwehr, verstärkt. Dadurch kann es zu einem andauernden Juck-Kratz-Kreislauf kommen.

Was ruft Neurodermitis hervor?

Dr. Fiebiger: Äußere Einflüsse können den Erkrankungsverlauf der Neurodermitis beeinflussen. Indem sie das Immunsystem reizen, können sie dazu beitragen, dass ein neuer Schub ausgelöst wird oder sich die Beschwerden verstärken. Ob und welche Auslösefaktoren eine Rolle spielen, ist individuell verschieden. Dazu gehören etwa Stress, psychische Belastungen, falsche Hautreinigung oder –pflege und kratzende Kleidung. Auch ungünstige Klima-Bedingungen wie trockene Luft (z.B. Heizungsluft in der Winterzeit) können die Beschwerden verschlechtern während sich die Haut im Sommer durch die UV-Exposition oft bessert.

Was hat Neurodermitis mit Allergien zu tun?

Dr. Fiebiger: Neurodermitis-Patienten reagieren manchmal sensibel auf allergieauslösende Stoffe, auch Allergene genannt, wie zum Beispiel Gräser oder Pollen. Allergien, Neurodermitis und allergisches Asthma sind Erkrankungen, die durch das Immungloblin E (lgE) im Blut vermittelt werden. Ein erhöhter Wert des Immungloblins E (lgE) kann weitere Entzündungsreaktionen im Körper hervorrufen. Leidet somit ein Neurodermitis-Patient beispielsweise an einer Gräser- oder Pollenallergie, kann diese auch die Neurodermitis verstärken.

Welche Rolle spielen Nahrungsmittelunverträglichkeiten bzw. -allergien bei Neurodermitis?

Dr. Fiebiger: Nahrungsmittelallergien werden bei erwachsenen Patienten mit Neurodermitis im Gegensatz zu Kindern allgemein überschätzt, da sie mit oralen Unverträglichkeiten, auch Intoleranzen genannt, verwechselt werden. Spezielle Ernährungsempfehlungen bei Neurodermitis gibt es daher nicht. Um die Reaktion der Haut auf bestimmte Nahrungsmittel zu beobachten, kann ein Ernährungstagebuch für einen gewissen Zeitraum hilfreich sein. Wird ein Zusammenhang festgestellt, können weiterführende Allergietests Aufschluss geben, z.B. in Form stationärer Nahrungsmittelprovokationen unter ärztlicher Überwachung.

Können Patienten durch Vermeidung von Auslösern wie Stress, bestimmten Lebensmitteln, etc einen Schub verhindern?

Dr. Fiebiger: Generell sollten auslösende Faktoren soweit wie möglich gemieden werden. Bei einer nachgewiesenen Nahrungsmittelallergie gilt es entsprechende Lebensmittel zu meiden, bei einer bekannten Pollen- oder Hausstaubmilbenallergie ist diese zu therapieren. Ebenso ist es wichtig, Stress zu meiden oder einzugrenzen, was jedoch im Alltag nicht immer einfach ist. Eine Vermeidung äußerer Einflüsse hilft gegen Schübe, bekämpft die Neurodermitis jedoch nicht ursächlich.

Wie kann Neurodermitis behandelt werden, um die zugrundeliegende Entzündung „am Schopf“ zu packen?

Dr. Fiebiger: Wichtig ist die konstante Hautpflege, die auf die individuellen Bedürfnisse der Patienten abgestimmt wird. Manche Patienten brauchen zum Beispiel mehr oder weniger fetthaltige Cremen oder Salben. Das Einschmieren ist häufig sehr zeitaufwendig, weshalb rückfettende Duschgels oder Bäder eine weitere Option darstellen.

Wenn die Basispflege nicht ausreicht, stehen weitere Therapien zur Verfügung. Dazu gehört die topische Therapie mit Kortison zum Auftragen auf die Haut, die jedoch nicht dauerhaft angewendet werden darf. Alternativ gibt es Cremen und Salben mit antientzündlichen Wirkstoffen wie Calcineurin-Inhibitoren. Manche Patienten sprechen auch gut auf Lichttherapien an, die mit regelmäßigen Anwendungen (3x/Woche) über mehrere Wochen einen gewissen Zeitaufwand bedeuten.

Bei anhaltenden Beschwerden und hoher Belastung können Systemtherapien zum Einsatz kommen. Biologika als Spritze bzw. Injektion oder sogenannte Januskinase-Hemmer (JAK-Hemmer) als Tablette können die immunologische Entzündungsreaktion zielgerichtet kontrollieren. Diese Therapien bedeuten einen Durchbruch in der modernen Medizin, da sie sehr spezifisch nur jenen Schenkel im Immunsystem blockieren, der für die Entzündung verantwortlich ist.

Dr. Manfred Fiebiger

Dr. Manfred Fiebiger absolvierte das Medizinstudium an der Universität Wien und ist seit 2022 als Dermatologe selbstständig tätig. Zu seinen Spezialgebieten in der dermatologischen Gruppenpraxis „Fiebiger & Eiler Hautärzte“ (fiebiger-eiler.at) zählen unter anderem die Früherkennung und Therapie entzündlicher Hauterkrankungen wie z.B. der Neurodermitis. Seit 2022 ist Dr. Fiebiger Bundesfachgruppenobmann des Berufsverbandes österreichischer Dermatologen (bvoed.at).