Neurodermitis-Umfrage:
Bei Dr. Zikeli nachgefragt


Eine österreichweite Neurodermitis-Umfrage* zeigt: viele Betroffene erleben Hürden bei der Arztsuche und sprechen mit ihren Hautärzten zu wenig über konkrete Therapieziele. Was Hautarzt Dr. Martin Zikeli dazu rät, findest du in diesem Blogbeitrag.

Laut Umfrage fällt es 67% der Teilnehmer schwer, den richtigen Facharzt zu finden. Wie sollen Betroffene bei der Suche vorgehen?

Dr. Zikeli: Zunächst stellt sich die Frage: Was zeichnet den „richtigen“ Facharzt aus? Die Antwort darauf ist wahrscheinlich individuell unterschiedlich. Am wichtigsten erscheint mir, dass zwischen Arzt und Patient ein Vertrauensverhältnis aufgebaut wird. Empfehlungen von Freunden oder anderen Betroffenen sind bei der Suche nach einem Facharzt meines Erachtens am hilfreichsten.

68% der Befragten werden hauptsächlich von Hautärzten (mit Kassenvertrag, Wahlarzt oder dermatolgische Ambulanz) behandelt, 21% von Hausärzten. Wann sollten Neurodermitis-Patienten sich an Hautärzte oder die Hautambulanz wenden?

Dr. Zikeli: Da es sich bei Neurodermitis um eine sehr komplexe, chronische Hauterkrankung handelt, sollten Neurodermitis-Patienten von einem Hautarzt in der Ordination betreut werden. Wenn der niedergelassene Hautarzt zusätzliche Expertise oder weiterführende Untersuchungen benötigt, würde er die Patienten an eine Hautambulanz verweisen. Die Patienten sollen dazu einen Termin in der Ambulanz vereinbaren und die Zuweisung mitnehmen. In Notfällen kann auch der Hausarzt oder die Spitalsambulanz die primäre Anlaufstelle sein. Ein Notfall ist es dann, wenn Patienten durch den quälenden Juckreiz nicht mehr schlafen können und die entzündete Haut offen und wund ist.

Die Hälfte der Umfrage-Teilnehmer gibt an, dass es Behandlungen gibt, die zu einer schönen Haut ohne Juckreiz führen kann. Im Umkehrschluss: etwa die Hälfte scheint den Glauben daran verloren zu haben. Warum lohnt es sich aus Ihrer Sicht dranzubleiben?

Dr. Zikeli: Glücklicherweise gibt es laufend neue Erkenntnisse zu Neurodermitis und auch immer bessere, moderne Medikamente. Die Zeiten, in denen es „nur Kortison“ gab, sind vorbei. Es lohnt sich also, sich über aktuelle medizinische Entwicklungen zu informieren. Jedoch ist Neurodermitis noch nicht heilbar. Das Behandlungsziel „schöne Haut ohne Juckreiz“ ist manchmal leider nicht erreichbar, eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität aber meistens.

Ein Drittel der Befragten ist unzufrieden mit der derzeitigen Therapie. Über konkrete Therapieziele wird jedoch nur in den wenigsten Fällen gesprochen (16%). Was würden Sie hier Patienten raten?

Dr. Zikeli: Betroffene sollten Ziele mit ihrem Hautarzt besprechen: Zum Beispiel ohne Juckreiz durchschlafen zu können, der Arbeit oder den Freizeitaktivitäten möglichst uneingeschränkt nachgehen zu können, oder unbefangen wieder soziale Kontakte zu knüpfen. Der Grund für eine etwaige Unzufriedenheit mit der Therapie sollte jedenfalls thematisiert werden - ist dies auf Wirkungslosigkeit, Nebenwirkungen, Zeitaufwand oder vielleicht die unangenehme Textur einer Creme zurückzuführen?

Zu den systemischen Therapien wie Biologika und kleinen Molekülen gibt es noch hohen Informationsbedarf: weniger als ein Drittel fühlt sich dazu gut informiert. Was sollten Patienten über diese beiden Therapieformen jedenfalls wissen?

Dr. Zikeli: Neurodermitis ist nicht nur eine Hauterkrankung, sondern eine Erkrankung des Immunsystems mit überschießenden Immunreaktionen, die zu Hautentzündungen, Juckreiz und Allergien führen. Biologika und kleine Moleküle setzen im Immunsystem an und blockieren gezielt Punkte im Immunsystem, die für Neurodermitis hauptverantwortlich sind. Biologika werden als Spritze unter die Haut gegeben, kleine Moleküle als Tablette eingenommen. Welche Therapie am besten geeignet ist, sollte vom Hautarzt abgewogen werden.

In den meisten Fällen trifft der Hautarzt die Therapieentscheidung. In 24% der Fälle hat der Patient laut Umfrage mitbestimmt. Wie wichtig ist die Mitbestimmung des Patienten in der Therapiewahl?

Dr. Zikeli: Ein Patient, der mit der verordneten Therapie nicht einverstanden ist, wird diese wahrscheinlich gar nicht durchführen. Daher muss dem Patienten immer verständlich gemacht werden, welche Vor- und Nachteile diese oder jene Therapie beim individuellen Patienten hat und warum man als Arzt eine bestimmte Therapie im konkreten Fall empfehlen würde. Eine gute Patientenaufklärung und klare Therapieempfehlung seitens Hautärzten ist deshalb entscheidend. 


*Umfrage: Wie geht es Menschen mit Neurodermitis in Österreich?

Das BioPharma-Unternehmen Abbvie initiierte mit Unterstützung von hautinfo.at und der Österreichischen Lungenunion eine österreichweite Umfrage, wie Menschen mit Neurodermitis die Erkrankung empfinden und mit ihr umgehen. Die Erhebung führte das Marktforschungsinstitut Integral zwischen November und Dezember 2023 durch. Die Teilnahme an der Umfrage war anonym und kostenlos. Es beteiligten sich 511 Erwachsene mit Neurodermitis aus ganz Österreich. Nach Selbsteinschätzung der Umfrageteilnehmer leidet mehr als ein Fünftel an einem mittelschweren bis schweren Verlauf. Die Ergebnisse liefern ein gutes Stimmungsbild und interessante Erkenntnisse über den Einfluss von Neurodermitis auf verschiedene Lebensbereiche.


Dr. Martin Zikeli ist Facharzt für Dermatologie und Venerologie und Oberarzt an der dermatologischen Abteilung im Landesklinikum Wiener Neustadt. Zudem bietet er eine Wahlarztordination in Maria Enzersdorf. Zu seinen Schwerpunkten gehören unter anderem die Behandlung chronisch-entzündlicher Hauterkrankungen wie Neurodermitis, Schuppenflechte und Allergien sowie Hautkrankheiten bei Kindern.